Sie schwingen sich vom Sprungbett ins All. Oder sitzen am Beckenrand mit Blick in eine schier endlose Tiefe. Wer in die narrativen Collagen von Cornelia Greef eintaucht, beginnt eigene Geschichten zu erzählen.
Du hast für das Interview zwei Pool-Collagen ausgesucht, die für dich eine besondere Bedeutung haben. Was ist das Besondere an der Collage Pool III?
Das Bild ruft in mir ein Gefühl von Schwerelosigkeit hervor, von Freiheit und von Mut. Ich mag die Farben und die runde Form des Niemeyer-Museums, die ich mit dem Pool darunter noch einmal aufgenommen habe und die sich auch darüber im Weltall spiegelt. Die Collage hat bei meiner ersten Ausstellung im Mai 2021 viele Besucherinnen und Besucher berührt und sich im Bild versinken lassen. Ich habe im Anschluß an die Ausstellung fünf Drucke angefertigt. Pool III bedeutet für mich so etwas wie der Start meiner künstlerischen Arbeit.
Welche Rolle spielt das Surreale für dich?
Ich bin beim Collagieren oft in einem Zustand, in dem ich sehr frei von Gedanken und sehr im Moment bin. Ich mag das Surreale und Abstrakte, etwas, bei dem man zweimal hinschauen muss, um es zu begreifen.
Wie sehr lässt du dich beim Collagieren leiten von dem Moment, von einer Situation oder einer Idee oder einem Thema, das dich beschäftigt?
Sehr. Eigentlich ausschließlich von dem Gefühl in dem Moment. Ich blättere viel durch Zeitschriften. Dabei stoße ich auf Themen, die mich interessieren. Aber auch auf Fotos, die Stimmungen spiegeln. Was mich anspricht schneide ich heraus und lege es zur Seite. Im Anschluß kombiniere ich die Stimmungen auf den Bildern, das kann gerade entgegengesetzt sein, aber auch Gemeinsamkeiten können der Beginn sein. Danach füge ich die Details hinzu. Aber das Gefühl des Augenblicks ist das Entscheidene meiner Arbeit.
Warum hast du außerdem die Collage Pool IV für unser Gespräch gewählt?
Ich kann mich mit der Schwimmerin identifizieren. Jetzt ist sie dort oben, aber was geschieht als nächstes? Dieses Gefühl steckt in mir, wie wahrscheinlich in jedem von uns ein bisschen. Der Sprung ins Ungewisse, die Zweifel, das Loslassen von dem, was war. Ich mag das Gefühl, im Wasser zu treiben, mich schwerlos zu fühlen, aber auch vom Meer aus aufs Land zu gucken. Irgendwie einen Abstand zu haben. Dafür lohnt sich die Anstrengung, rauszuschwimmen.
Deine Collagen entstehen nicht digital, sondern Du arbeitest mit Zeitschriften, Schere und Klebstoff. Warum?
Ich mag das Handwerkliche, das Finden von Motiven, das vorsichtige Ausschneiden mit dem Skalpell, die kleinen Schnipsel. Das Ganze hat etwas sehr Meditatives. Ein bisschen wie puzzeln, nur ohne Vorlage. Manchmal suche ich nach bestimmten Dingen und finde etwas anderes. Alles ergibt sich. Manchmal fehlt noch etwas, ohne dass ich weiß, was es ist. Dann liegt die Collage noch eine Weile unvollendet auf meinem Tisch. Irgendwann fügt sich etwas ein. Es gibt immer viele Möglichkeiten. Manchmal fällt die Entscheidung, das Festkleben, schwer.
Deine Collagen sind in etwa so groß wie eine kleine Versandtasche. Wenn du daran arbeitest, nimmst du wenig Raum ein, schaffst auch eine intime Situation des Schaffens oder wie würdest du das beschreiben?
Ich habe anfänglich an einem kleinen Wand-Klapptisch in meinem Wohnzimmer gearbeitet und mache das manchmal immer noch. Eine Schneideunterlage, eine Lampe und Musik. Allerdings habe ich mittlerweile wirklich viele Magazine und Zeitschriften und Schnipsel, die sich irgendwann überall gestapelt haben. Zufällig hat sich die Möglichkeit ergeben, einen schönen, hellen Atelierraum in der Nachbarschaft zu mieten. Dort konnte ich ein Regal mit meinen Magazinen aufstellen. Der Arbeitstisch ist ein alter Schulschreibtisch. Ich kann dort am besten alleine arbeiten. Ich mag die Ruhe die mich beim Arbeiten umgibt und das „mit mir selbst zusammensein“.
Auf mich wirken deine Collagen wie Szenen aus einer Geschichte. Es gibt ein erzählerisches Davor und ein Danach. Wie ist das für dich?
Ja, da bist du nicht die Erste, die das sagt. Ich habe das nie bewusst so angelegt, aber es stimmt natürlich. Es gibt tatsächlich schon ein paar Kurzgeschichten zu Collagen von mir. Wer weiß, vielleicht wird daraus irgendwann ein Buch. Das ist zumindest ein Wunsch, der mich momentan umtreibt.
Was ist deiner Vorstellung nach im Leben der Schwimmerin in der Collage Pool III. kurz vor dem Sprung geschehen und was wird danach passieren?
Ich glaube, sie war vorher in einer Situation, in der sie sich eingeengt und unfrei gefühlt hat. Sie fühlte sich fremdbestimmt und abhängig. Sie hat sich zu wenig auf sich selbst besonnen und selten nach ihren eigenen Wünschen gefragt. Ich glaube, sie hat sich erlaubt etwas zu tun, woran sie immer wieder im Stillen gedacht hat. Ein Wunsch, ein Gedanke, der in ihr größer wurde und der jetzt einfach heraus wollte. Sie wird möglicherweise nicht im Pool landen. Aber sie fühlt sich befreit und hat ein Universum von Möglichkeiten, das vor ihr liegt. Sie muss sich gar nicht entscheiden. Es wird einfach gut werden.
Cornelia Greef ist Architektin und lebt in Düsseldorf. Die Pool-Collagen und weitere Motive findet ihr auf ihrer Website und auf Instagram. Ihre Collagen sind zuletzt in der Publikation "Surrealist Dreams" erschienen, eine Kollaboration zwischen Paris Collage Collective und Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa. Die Papierarbeiten der Düsseldorferin könnt ihr als Drucke kaufen.
English version
Cut out and dive in
You swing from the diving bed into space. Or sit on the edge of the pool with a view into a seemingly endless depth. Those who immerse themselves in Cornelia Greef's narrative collages begin to tell their own stories.
For our interview, you chose two pool collages that have a special meaning for you. What is special about the collage Pool III?
The picture evokes a feeling of weightlessness, of freedom and of courage. I like the colours and the round shape of the Niemeyer Museum, which I have taken up again with the pool below and which is also reflected above it in space. The collage touched many visitors at my first exhibition in May 2021 and made them sink into the picture. I made five prints after the exhibition. For me, Pool III means something like the start of my artistic work.
What role does the surreal play for you?
When I collage, I am often in a state where I am very free of thoughts and very much in the moment. I like the surreal and abstract, something you have to look twice to understand.
When you collage, how much are you guided by the moment, by a situation or an idea or a theme that is on your mind?
Very much. Actually, exclusively by the feeling in that very moment. I leaf through magazines a lot. In doing so, I come across themes that interest me. But also photos that reflect moods. I cut out what appeals to me and put it aside. Then I combine the moods in the pictures, which can be just the opposite, but also similarities can be the beginning. Then I add the details. But the feeling of the moment is the decisive thing in my work.
Why did you also choose the collage Pool IV for our conversation?
I can identify with the swimmer. She's up there now, but what happens next? That feeling is in me, as it probably is in all of us a little bit. The leap into the unknown, the doubts, the letting go of what was. I like the feeling of floating in the water, feeling weightless, but also looking out at the land from the sea. To somehow have a distance. It's worth the effort to swim out for that.
Your collages are not created digitally, but you work with magazines, scissors and glue. Why is that?
I like the craftsmanship, the finding of motifs, the careful cutting out with the scalpel, the little snippets. There's something very meditative about the whole thing. A bit like doing a jigsaw puzzle, only without a template. Sometimes I look for certain things and find something else. Everything comes together. Sometimes something is missing without me knowing what it is. Then the collage lies unfinished on my table for a while. Eventually something falls into place. There are always many possibilities. Sometimes the decision, the sticking, is difficult.
Your collages are about the size of a small envelope. When you work on them, you don't take up much space, you also create an intimate situation of creating, or how would you describe it?
I started out working on a small folding table on the wall in my living room and still do sometimes. A cutting surface, a lamp and music. However, by now I really have a lot of magazines and journals and snippets that have piled up everywhere at some point. By chance, the opportunity arose to rent a nice, bright studio space in the neighbourhood. There I was able to put up a shelf with my magazines. The work table is an old school desk. I can work best alone there. I like the peace that surrounds me when I work and the "being with myself".
Your collages look to me like scenes from a story. There is a narrative before and after. How is that for you? Yes, you are not the first to say that. I never consciously set it up that way, but of course it's true. There are actually already a few short stories about collages of mine. Who knows, maybe they'll turn into a book someday. That's at least one wish that's on my mind at the moment.
What do you imagine happened in the life of the swimmer in the collage Pool III. shortly before the jump and what will happen afterwards?
I think she was in a situation beforehand where she felt confined and unfree. She felt frend-determined and dependent. She didn't look at herself enough and rarely asked for her own wishes. I think she allowed herself to do something she kept thinking about in silence. A desire, a thought that grew bigger inside her and now just wanted out. She may not end up in the pool. But she feels liberated and has a universe of possibilities ahead of her. She doesn't have to decide at all. It's just going to be good.
Cornelia Greef is an architect and lives in Düsseldorf. You can find her pool collages and other motifs on https://corneliagreef.de/. Her collages were most recently published in Surrealist Dreams, a collaboration between Paris Collage Collective and Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa. You can buy her paper works as prints.
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